Natürliche Momente

Der türmen sich Gesteinsformationen auf, drängen sich, durchdringen sich, sprengen sich. Landschaften im Zustand der Erregtheit, der Gespanntheit, der Gebanntheit. Und der Himmel schaut zu, hat sich zurückgezogen und beobachtet, kühl, unbewegt, aus der Distanz. Oder aber er schwingt mit in den Bewegungen und Spannungen der Erde, läßt sich aufpeitschen und putscht selbst auf.

Menschen sind außen vor. Die Landschaft ist mit sich allein, ihren Mächten überlassen, ihren eigenen Kräften ausgesetzt. Sie hatten mit sich selbst zu tun, kann in sich selbst aber auch ruhen.

Gegensätze bestimmen die Bilder, erfassen den Betrachter: Herrscht hier Stille oder Tosen, Ruhe oder Toben? - Als sei die Erde flüssig geworden, strömt sie und bricht auf. Als sei sie erstarrt, überdeckt und überlagert. Glut und Hitze liegt über den Bildern, aber auch Frost und Kälte. Vielleicht ist es auch kalte Hitze, hitzige Kälte, die ihre Spuren hinterlassen hat in Rost und Rissen, Klüften, Schrunden und Wunden. Grün-gelb-moosige Farbflechten, quell-kühl-blaue oder glühendrote Himmel, weiße Wolkenwirbel und rostbraune Sandstrudel:

Die Bilder stoppen uns im Fluß des Sehens und Empfindens: Halt! Gerade eben muß da etwas geschehen sein! Oder wird es gleich geschehen? Bannt uns die Ruhe vor dem Sturm oder ermattet uns die Ruhe nach dem Sturm?

So bestimmen Statik und Dynamik, Lehre und Fülle zugleich die Bilder des Wilfried Gründler. Eine labiles Gleichgewicht. Ihm entspricht unverkennbar auch die Haltung des Malers im Spannungsverhältnis zwischen dem kühl beobachtenden, analytischen Blick und der anteilnehmenden, sich einfühlenden Zuneigung.

Auf seinen Reisen, in die USA, nach Ägypten, Jordanien, Marokko und Israel, zum Beispiel, sammelt er seine Stimmungen und Befunde und speichert sie. Im Atelier zu Hause setzt er sie um auf dem Papier in einer ausgefeilten Tempera-Acryl-Mischtechnik. Kein dokumentarisch verstandenes Landschafts-Protokoll, sondern künstlerisch konzentrierte Bildübersetzung! Dem, der sich den dramatischen Himmeln eines William Turner und den Landschaften eines Caspar David Friedrich nahefühlt, ist andererseits der Blick des Geologen und Historikers beigegeben.

Und es ist auch der kritische Blick und der wache Geist des Zeitgenossen Gründler, der ihn seine Bildsprache und Thema finden läßt. In seinen 'Objektlandschaften' besonders deutlich, sind es bedrohliche Visionen, Weiterentwicklungen seiner Landschaftsbilder. Einbrüche in seine Bilderlandschaften sind geschehen. In die gerade eben noch ausschließlich durch sich selbst, ihre eigenen Mächte und Kräfte veränderbare Natur dringt die Kugel ein. Glatt, perfekt, vollkommen. Dennoch oder gerade deshalb: bedrohlich. Ein Fremdkörper. Kein Findling aus dem Reich der Erde, sondern ein Fremdling aus einer anderen Welt. Auf jedem dieser Bilder befinden sich die Kugeln in einer anderen Beziehung zu ihrer natürlichen Umgebung. Ob sie sich beinahe ins Bild hineinschleichen, hinter Nebeln lauern, eine aufgewühlte, aufgepeitschte Landschaft im Zweikampf an sich abprallen lassen oder gar triumphierend den Raum beherrschen, als seien sie bereits als Sieger aus diesem Ringen hervorgegangen: Jedesmal ist es ein Verhältnis, das Distanz, Befremdliches, Unvereinbares aufzeigt.

Was ist daran an den Kugeln, was ich darin? - Vordergründige Interpretationen sind wenig hilfreich. Er sollte genügen, die Spannung zwischen elementarer Natur und technoider Perfektion, zwischen natürlicher Gewalt und dem Streben nach dem vollkommenen menschlichen Maß wahrzunehmen und daraus angemessene, verantwortungsvolle Schlüsse zu ziehen.

Allemal sind Wilfried Gründlers Werke die Bilder von natürlichen Monumenten. Gebäude, Wüsten, Meere sind Denkmale, sind Mahnmale von großem Ausmaß, wuchtig, beeindruckend. Und so sind auch seine Bilder selbst monumental im ursprünglichen Sinne des Wortes: eine künstlerische Schöpfung, die Ausdruck der Bewunderung, des Gedenkens und Mahnens ist.


Reinhard End
Museum Haus Löwenberg, Gengenbach


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