Eröffnung der Ausstellung 'Bedrohung des Menschen durch sich selbst' des Malers und Grafikers Wilfried Gründler im Treffpunkt Baden-Württemberg auf der Landesgartenschau in Freiburg am 10. Juni 1986, Auszüge

Die Bilder von Wilfried Gründler zeigen uns, wie gerade die bildende Kunst in der Lage ist, die Komplexität des Problems der Bedrohung des Menschen durch sich selbst darzustellen. Der Maler Wilfried Gründler erfaßt die vielfältigen Dimensionen dieses Grundverhältnisses zwischen Mensch und Natur; er zeigt die Gefährdungen menschlicher Existenz durch das sich selbst Überheben des Menschen, eines Menschen, der seinen Auftrag, den er von Gott erhalten hat, vergißt, nämlich die Schöpfung Gottes zu pflegen zu bewahren.

Wir sind bei der Betrachtung von Gründlers Werken an ein Grundmotiv in Goethes dramatischem Schaffen erinnert: An das Motiv der Verstrickung des handelnden Menschen, auch und gerade des politisch handelnden Menschen in Schuld, sei es durch Überhebung und Verblendung oder durch Naivität und Dummheit. Der Mensch will das Gute und schafft das Böse.

Die Bilder Wilfried Gründlers sollen dieses tragische Grundverhältnis menschlicher Existenz nicht voller Selbstmitleid beklagen, sie wollen nicht anklagen oder gar verurteilen.

Der Maler sucht nicht nach einfachen Antworten auf schwierige Fragen, nach bequemen Auswegen aus außerordentlich komplexen Sachverhalten. Er verweist den Menschen in seine Grenzen ohne diese Grenzen ganz exakt zu markieren. Denn diese Grenzen können nur erahnt, erfüllt werden. Wer glaubt, diese Grenzen allzu genau zu kennen und mit erhobenem Zeigefinger auf sie hinweisen zu müssen, der ist der ideologischen Verengung längst erlegen und dieser Sonderform der Überhebung anheimgefallen.

Wenn ich eingangs gesagt habe, die Bilder Gründlers seien nicht unmittelbar politisch, dann war dies als ein Hinweis darauf gemeint, daß dieses künstlerische Werk der ideologischen Verengung nicht anheimfällt. Gründler verweist den Menschen auf seine Grenzen; mit den Mitteln der Kunst erschließt er dem Handelnden aber auch Handlungsfelder. Er verweist den Menschen auf seine Verantwortung für die Erhaltung der Natur. Er zeigt aber auch mit den Mitteln der Kunst, das Phantasie, Kreativität zum Leben des Menschen gehören und zum Überleben notwendig sind.

Die Aussage der Bilder Gründlers endet nicht in der Sinnlosigkeit, der Aussichtslosigkeit, nicht in der unabwendbaren Zerstörung. Der Mensch hat die Chance des Überlebens. Er hat sie aber nur, wenn er sich seine Verantwortung gegenüber der Natur, für seine natürliche Umwelt bewußt wird. Seine Fähigkeit zum Handeln muß ihm erhalten bleiben; die schöpferischen Kräfte des Menschen müssen auf die Erhaltung der Natur gelenkt und gestärkt werden. Es ist aber notwendig, der Natur gegenüber jene Bescheidenheit wieder zu gewinnen, jene Haltung der Demut, die den Begriffen 'Bebauen und Bewahren' zum Ausdruck kommt. Insofern ist das Ziel dieser Bilder eben doch ein unmittelbar politisches Ziel: Nämlich die Verweisung des Menschen auf seine Pflicht zum Handeln zur Sicherung seines Überlebens aber auch auf seine Grenzen, auf die Verpflichtung, diese Grenzen zu erkunden und zu respektieren.

Gerhard Weygandt
Ltd. Ministerialrat beim Umweltministerium in Stuttgart


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